Moderne Operationstechnik. Die kolorektale Roboterchirurgie ist ein ebenso präzises wie schonendes Verfahren zur minimalen operativen Entfernung von Darmkrebs.
Hierzulande erkranken jedes Jahr etwa 1.100 Menschen an einem Rektumkarzinom, bei etwa einem Drittel wird ein tiefsitzender (afternaher) Tumor diagnostiziert. Diese Lage ist für Chirurgen eine besondere Herausforderung, weil die Tumoren schwer erreichbar sind und die Sicht auf das Operationsgebiet der anatomischen Enge des kleinen Beckens wegen deutlich eingeschränkt ist. Zudem ist das umliegende Nervengeflecht in dieser Region dicht und sehr sensibel. Nervenverletzungen können leicht zum Verlust der Kontinenz und der Sexualfunktionen führen.
Bislang wurde die chirurgische Entfernung des Rektumkarzinoms zumeist „offen”, also mittels eines großen Eingriffs, vorgenommen. Dieser ist durch die große Wunde für die Patienten sehr belastend. Seit ei Seit einigen Jahren gibt es auch die Möglichkeit die Operation mittels Laparoskopie vorzunehmen. Da dieser Eingriff jedoch aufgrund der anatomischen Verhältnisse technisch sehr aufwendig ist, werden immer noch weniger als 30 Prozent aller Patienten mit Rektumkarzinom mittels dieser Technik operiert. Dazu kommt, dass die Konversionsrate bei der laparoskopischen Operationstechnik sehr hoch ist. Die Konversion ist wiederum mit einer erhöhten Komplikationsrate verbunden.
Durch ein völlig innovatives Verfahren kann die chirurgische Entfernung einer bösartige Neubildung des Enddarms im kleinen Becken nun wesentlich schonender somit wenig traumatisierend erfolgen: Dank einer verbesserten drei-dimensionalen Sicht auf das Operationsgebiet sowie robotischer Instrumente, mit denen auch in der anatomischen Enge des kleinen Beckens hochpräzise operiert werden kann, bleiben Operationstraumata und Schnitte für die Operation auf ein Minimum beschränkt. Seit Jahresbeginn ist das kolorektale Roboterchirurgie- Programm am Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien und des AKH Wien durch die Europäische Akademie für Kolorektale Roboterchirurgie (EARCS) zertifiziert. Damit ist das CCC im AKH Wien das erste zertifizierte Zentrum für robotische Kolorektalchirurgie in Österreich.
Der jüngste Schritt in der Weiterentwicklung der minimal-invasiven Kolorektalchirurgie ist die roboterassistierte Methode. Bei diesem Verfahren steuert der Chirurg über eine Konsole einen OP-Roboter mit vier Armen, während er ein vergrößertes dreidimensionales Bild des Operationsbereichs erhält. Die optimalen Sichtbedingungen und die Beweglichkeit der Roboter-Arme in sieben verschiedenen Freiheitsgraden ermöglichen eine präzise und nervenschonende Operationstechnik bei einem gleichzeitig geringeren Blutverlust als in der Laparoskopie.
Zudem zeigen Studien, dass die Methode leichter zu erlernen ist als der herkömmliche laparoskopische Eingriff und zudem eine verbesserte Ergonomie für die Operateure aufweist. Die Roboterchirurgie bietet insbesondere in engen Räumen wie den kleinen Becken deutliche Vorteile gegenüber der offenen bzw. laparoskopischen Operation und wird in der Urologie bereits erfolgreich zur Entfernung der Prostata eingesetzt. Weiters findet sie auch in der Gynäkologie Anwendung.
Die beiden Experten für die kolorektale Roboterchirurgie am CCC, Thomas Bachleitner-Hofmann und Michael Bergmann von der Universitätsklinik für Chirurgie der MedUni Wien/ AKH Wien und in der Chirurgischen Praxis Sievering in Wien 19 tätig, schätzen, dass mit dieser Methode in Zukunft etwa 90 Prozent aller Eingriffe am Rektum vorgenommen werden können.
Um einheitliche Therapiestandards zu erreichen und damit die Sicherheit der Patienten weiter zu verbessern, bietet die EARCS cww.earcs.pt) spezielle Trainings l, um die Operateure umfassend in ;r neuen Methode auszubilden, bisher wurden in Europa lediglich tapp 25 Ärzte derart ausgebildet und zertifiziert. Bachleitner-Hofmann und Bergmann sind die beiden ersten österreichischen Absolventen dieser Zertifizierung.
„Die Roboterchirurgie sollte vor allem in Spezialzentren Standard für die Entfernung eines Kolorektalkarzinoms sein, da insbesondere beim tiefsitzenden Rektumkarzinom Vorteile gegenüber den anderen Verfahren erkennbar sind“, fordert Bachleitner-Hofmann. „Unser Team ist stolz, als erstes Zentrum in Österreich die Zertifizierung für die kolorektale Roboterchirurgie erreicht zu haben.“
Das Verfahren soll am CCC weiter wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden. So ist eine Studie (Fatigue-Study) geplant, in der evaluiert wird, inwieweit die Roboterchirurgie im Vergleich zu den beiden herkömmlichen Verfahren auch für die Operateure schonender ist. Anhand bestimmter Parameter werden die körperliche Fitness und die Konzentrationsfähigkeit vor Beginn und am Ende der verschiedenen Operationsverfahren verglichen.
„Als akademische Einrichtung ist für uns die umfassende wissenschaftliche Absicherung der neuen Methode wesentlich”, so Bergmann. „Wir haben den Eindruck, dass der Ermüdungsfaktor des Chirurgen bei Verwendung des Roboters wesentlich geringer ist. Dies beruht vermutlich auf der besseren Ergonomie des Roboter-Verfahrens. Auch das wollen wir wissenschaftlich erfassen.”